Freitag, 21. Februar 2014

Die Rückseite der Nacht...

zur Abwechslung mal ein kleiner Ausschnitt aus DRDN



Thilo bemerkte die Suche nach ihm, er war verwirrt. Zuerst waren ihm die Streifenwagen aufgefallen, die nun am Rheinufer entlangfuhren, dann kamen sie sogar mit Pferden, um die unwirtlichen Gegenden zu durchsuchen und nun war es klar, WEN sie suchten. Ihn, den harmlosen Mann, der nur seine Ruhe haben wollte. Und warum? Sicher würden sie ihn nun für den Täter halten und ihn verhaften wollen. Keine drei Tage würde er eingesperrt überleben. Er war nun schon über dreißig Jahre draußen, kannte keine engen Räume, er hatte Angst vor ihnen.
Thilo versteckte sich, wann immer er die Polizei sah. Er versteckte sich nun auch vor anderen Menschen, niemand sollte ihn sehen, verraten können und er verkroch sich richtig in den unwegsamen Gegenden. Er hatte sogar seinen Bollerwagen aufgegeben, ihn im Dornengestrüpp versteckt, nun rannte er ziellos durch dunkle Wälder, immer auf der Suche nach einem geeigneten Versteck. Er hatte Hunger, Durst, er war müde, er war es einfach nur noch leid. Warum konnte man ihn nicht einfach in Ruhe lassen?
Es war an einem späten Nachmittag, als er den Hubschrauber hörte. Was für ein Wahnsinn, nun suchten sie ihn sogar aus der Luft heraus. Aber sie würden nicht in den Wald hier blicken können, er machte weder ein Feuer noch war er sonst zu bemerken. Er verhielt sich still wie ein Reh und er war sich sicher, nicht entdeckt zu werden. Gerade wollte er sich abwenden, als er das Hufgetrappel hörte. Pferde. Schon wieder. Er duckte sich, doch es waren mehr als nur ein paar Pferde. Das mussten ganze Gruppen sein, die Geräusche kamen von überall, er hörte auch die Stimmen, das waren sicher die Vorgesetzten, die Kommandos gaben und nun kreisten sie ihn ein. Er fühlte sich in die Enge getrieben. Schwitzend und geduckt rannte er los, immer am Waldrand entlang in Richtung Rhein. Vorsichtig lugte er aus einem Gebüsch hinaus. Er sah das Rheinufer, hörte hinter sich die Geräusche, das Wiehern der Pferde, das Rufen der Männer und er entschloss sich zum Äußersten. Am Ufer waren keine Menschen, niemand würde ihn sehen, dann musste er eben schwimmend entkommen. Er kannte die Stelle hier, nicht weit von hier gab es einen Hafen. Wenn er bis dahin kommen konnte, war er in Sicherheit. Thilo legte seinen Mantel vorsichtig ab, faltete ihn und legte ihn an einen Baum. Den würde er sich später abholen kommen. Vorsichtig zog er auch seine Schuhe aus, stellte sie neben den Mantel, dann entledigte er sich auch seiner Hose. Nur mit seiner weiten Unterhose bekleidet, einem dünnen Pulli und sonst nichts, rannte er nun auf das Wasser zu, die Kieselsteine und Zweige schmerzten ihn, als er darauf trat, aber er achtete nicht weiter darauf. Er hoffte nur, dass niemand ihn sehen würde. Als er den Rhein erreichte, schaute er sich noch einmal um, aber die Verfolger waren nicht zu sehen. Langsam ging er ins Wasser und war überrascht, wie kalt es noch war. Obwohl Mitte Juni, fühlte es sich sehr winterlich an. Dennoch, er hatte keine andere Wahl. Langsam ließ er sich in das Wasser gleiten bis nur noch sein Kopf und sein Bart hinausragte, dann schwamm er langsam im Wasser entlang. Er schaute immer in Richtung Wald, aber noch immer sah er keine Verfolger. Er wollte eben wieder ein Stück näher ans Ufer, aber da erfasste ihn eine eisige Strömung. Sie war kälter als das andere Wasser, sie erfasste ihn und er spürte, dass er keine Kraft hatte, dagegen anzukommen. Er ließ sich treiben, dann sah er das Wirbeln des Wassers, ein Strudel und mit einer absoluten Klarheit erkannte er die Falle. Er war des Todes. Es würde kein Entkommen geben. Kurz bedauerte er seinen schönen Mantel zurückgelassen zu haben, dann tauchte sein Kopf unter und er bekam den Mund voll Wasser. Er musste atmen, seine Lungen schienen bersten zu wollen, aber er hielt eisern die Luft an. Es war, als zöge eine unbekannte Macht an seinen Beinen, es wurde dunkel um ihn und er wusste nicht mehr, wo oben oder unten war. Die Lunge tat ihm weh. LUFT. Er brauchte Luft, er MUSSTE atmen, egal was passierte. Er hielt es nicht länger aus und dann öffnete sich sein Mund. Es war ein Reflex, den er nicht unterdrücken konnte, aber es war auch sein Tod.

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