Thilo bemerkte die Suche nach
ihm, er war verwirrt. Zuerst waren ihm die Streifenwagen aufgefallen, die nun
am Rheinufer entlangfuhren, dann kamen sie sogar mit Pferden, um die
unwirtlichen Gegenden zu durchsuchen und nun war es klar, WEN sie suchten. Ihn,
den harmlosen Mann, der nur seine Ruhe haben wollte. Und warum? Sicher würden
sie ihn nun für den Täter halten und ihn verhaften wollen. Keine drei Tage
würde er eingesperrt überleben. Er war nun schon über dreißig Jahre draußen,
kannte keine engen Räume, er hatte Angst vor ihnen.
Thilo versteckte sich, wann
immer er die Polizei sah. Er versteckte sich nun auch vor anderen Menschen,
niemand sollte ihn sehen, verraten können und er verkroch sich richtig in den
unwegsamen Gegenden. Er hatte sogar seinen Bollerwagen aufgegeben, ihn im
Dornengestrüpp versteckt, nun rannte er ziellos durch dunkle Wälder, immer auf
der Suche nach einem geeigneten Versteck. Er hatte Hunger, Durst, er war müde,
er war es einfach nur noch leid. Warum konnte man ihn nicht einfach in Ruhe
lassen?
Es war an einem späten
Nachmittag, als er den Hubschrauber hörte. Was für ein Wahnsinn, nun suchten
sie ihn sogar aus der Luft heraus. Aber sie würden nicht in den Wald hier
blicken können, er machte weder ein Feuer noch war er sonst zu bemerken. Er
verhielt sich still wie ein Reh und er war sich sicher, nicht entdeckt zu
werden. Gerade wollte er sich abwenden, als er das Hufgetrappel hörte. Pferde.
Schon wieder. Er duckte sich, doch es waren mehr als nur ein paar Pferde. Das
mussten ganze Gruppen sein, die Geräusche kamen von überall, er hörte auch die
Stimmen, das waren sicher die Vorgesetzten, die Kommandos gaben und nun
kreisten sie ihn ein. Er fühlte sich in die Enge getrieben. Schwitzend und
geduckt rannte er los, immer am Waldrand entlang in Richtung Rhein. Vorsichtig
lugte er aus einem Gebüsch hinaus. Er sah das Rheinufer, hörte hinter sich die
Geräusche, das Wiehern der Pferde, das Rufen der Männer und er entschloss sich
zum Äußersten. Am Ufer waren keine Menschen, niemand würde ihn sehen, dann
musste er eben schwimmend entkommen. Er kannte die Stelle hier, nicht weit von
hier gab es einen Hafen. Wenn er bis dahin kommen konnte, war er in Sicherheit.
Thilo legte seinen Mantel vorsichtig ab, faltete ihn und legte ihn an einen
Baum. Den würde er sich später abholen kommen. Vorsichtig zog er auch seine
Schuhe aus, stellte sie neben den Mantel, dann entledigte er sich auch seiner
Hose. Nur mit seiner weiten Unterhose bekleidet, einem dünnen Pulli und sonst
nichts, rannte er nun auf das Wasser zu, die Kieselsteine und Zweige schmerzten
ihn, als er darauf trat, aber er achtete nicht weiter darauf. Er hoffte nur,
dass niemand ihn sehen würde. Als er den Rhein erreichte, schaute er sich noch
einmal um, aber die Verfolger waren nicht zu sehen. Langsam ging er ins Wasser
und war überrascht, wie kalt es noch war. Obwohl Mitte Juni, fühlte es sich
sehr winterlich an. Dennoch, er hatte keine andere Wahl. Langsam ließ er sich
in das Wasser gleiten bis nur noch sein Kopf und sein Bart hinausragte, dann
schwamm er langsam im Wasser entlang. Er schaute immer in Richtung Wald, aber
noch immer sah er keine Verfolger. Er wollte eben wieder ein Stück näher ans
Ufer, aber da erfasste ihn eine eisige Strömung. Sie war kälter als das andere
Wasser, sie erfasste ihn und er spürte, dass er keine Kraft hatte, dagegen
anzukommen. Er ließ sich treiben, dann sah er das Wirbeln des Wassers, ein
Strudel und mit einer absoluten Klarheit erkannte er die Falle. Er war des
Todes. Es würde kein Entkommen geben. Kurz bedauerte er seinen schönen Mantel
zurückgelassen zu haben, dann tauchte sein Kopf unter und er bekam den Mund
voll Wasser. Er musste atmen, seine Lungen schienen bersten zu wollen, aber er
hielt eisern die Luft an. Es war, als zöge eine unbekannte Macht an seinen
Beinen, es wurde dunkel um ihn und er wusste nicht mehr, wo oben oder unten
war. Die Lunge tat ihm weh. LUFT. Er brauchte Luft, er MUSSTE atmen, egal was
passierte. Er hielt es nicht länger aus und dann öffnete sich sein Mund. Es war
ein Reflex, den er nicht unterdrücken konnte, aber es war auch sein Tod.
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