Und nochmals einen kleinen Auszug aus der Story, die ich
persönlich gelungen finde. Wenn mir nach Fertigstellung eine Geschichte selber
noch gut gefällt, ist dies eigentlich ein gutes Zeichen.
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Ich musste lernen, meine Wut unter Kontrolle zu bringen.
Diese Wut hatte in meinem Leben nichts zu suchen. Auch eine Sache, die mir Lily
beschert hatte. Vorher, als ich alleine war, hatte ich mich ständig unter
Kontrolle. Seit ich in dieser eigenartigen Beziehung war, ging mir auch das
verloren.
Ich musste an mir arbeiten. Mich wieder sammeln, mich auf
das Wesentliche konzentrieren und das ging nur, wenn ich wieder zu mir alleine
finden würde. Ohne Lily.
Es gab so viele Dinge, die ich tun musste. So viele Sachen,
die ich berücksichtigen musste. Was hatte ich in Lilys Augen gesehen? War es
Verrat? Oder war es etwas viel Tiefgreifenderes gewesen? Etwas, das so
ungeheuerlich war, dass es fast schon der Wahrheit nahe kam? Hatte sie mich erkannt?
Hatte sie vielleicht sogar ein wenig von der Frucht der Wahrheit genascht? Sie
kam mir so vor. Wissend und voller Angst. Eine Mischung, die nicht gutgehen
konnte.
Falls sie etwas wusste, dann müsste ich handeln. Und wenn
sie nichts wusste, sondern nur etwas ahnte, - denn das tat sie, das konnte ich
in ihren Augen lesen – dann war es besser, wenn ich sie zum Schweigen bringen
würde. Und diese Brit direkt mit.
Nun stand ich hier, schaute und beobachtete. Das, was ich
schon immer gut konnte. Mit mir und meinen Gedanken alleine sein. Ich schaute
die Straße hinauf und hinunter, hielt diesen Hauseingang im Blick und machte
mir meine Gedanken. Träume. Da waren Leute, die gingen vorbei und ich versuchte
abzuschätzen, was für ein Leben sie führten. Waren sie glücklich? Hatten sie
Sorgen? Waren sie reich oder arm? Voller Gefühle oder waren sie kalt wie
Fische? Litten sie oder freuten sie sich des Lebens? Ich versuchte es anhand
ihrer Haltung, ihrer Kleidung und ihres Gesichtsausdrucks abzulesen, aber es
war oft nicht einfach. Nicht hier in der Gegend. Hier verstellten sich die
Menschen zwar nicht so sehr wie in den Reichengegenden, aber sie sahen alle
ziemlich leer aus. Dumpfe, unfreundliche Gesichter. Es war kaum zu fassen, wenn
man die Menschen beobachtete und feststellte, wie wenige Menschen lachten oder
lächelten. Man hätte glauben können, es gäbe ein kollektives Unglück, dabei
wussten diese Menschen nicht mal, was das genau bedeutete. Wenn ICH in Aktion
trat, DANN würde die wahre Trauer auftreten, aber diese Leute hier waren nur
von ihren Alltagssorgen erschlagen. Gebückt liefen sie herum, weil die normalen
menschlichen Probleme sie in die Knie zwangen. Finanzielle Sorgen, emotionale
Sorgen, die Liebe, dazu meist nur Unzufriedenheit und Neid. Alles kleine Dinge.
Nichts von Bedeutung. Kaum ein Todkranker, kaum jemand, der wirklich weiß, was
Unglück bedeutet.